Auf den Hinterbänken

06.07.2011 in Internet

Obwohl Schulen in freier Trägerschaft von der öffentlichen Hand benachteiligt werden, erfreuen sie sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Kein Wunder: Denn im Durchschnitt sorgen private Schulen für eine hohe Zufriedenheit und gute Leistungen der Schüler.*)

Sie werden das Stigma einfach nicht los: Immer noch verstehen große Teile der Öffentlichkeit unter Privatschulen elitäre Einrichtungen, deren Existenz sich allein darauf begründet, dass finanzkräftige Eltern ihrem Nachwuchs dort ein passables Abschlusszeugnis ermöglichen können.

Tatsächlich aber unterscheiden sich private von staatlichen Schulen weder durch die Intelligenz der Schüler noch durch das Einkommen von deren Eltern, sondern allein durch den Träger – hier die freien, dort die staatlichen. Privatschulensind hierzulande – anders als etwa in den Niederlanden oder Belgien – deutlich in der Unterzahl:

Von den 34.600 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland befinden sich rund 3.200 in privater Trägerschaft – etwa 60 Prozent von ihnen sind konfessionell geprägt.

Dennoch erfreuen sich Privatschulen wachsender Beliebtheit: Im Schuljahr 2009/10 besuchten rund 705.000 Schüler eine Schule in freier Trägerschaft, das waren 7,9 Prozent aller Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Vor 20 Jahren waren erst 450.000 Jungen und Mädchen an einer Privatschule angemeldet.

Der Run auf die Privaten hat einen simplen Grund: Ihr Angebot steht denen staatlicher Schulen in nichts nach, bei Schülerleistungsvergleichen wie PISA schneiden die in der Statistik auch als Ersatzschulen bezeichneten privaten Einrichtungen sogar besser ab. Außerdem zeichnen sich Privatschulen meist durch ein gutes Schulklima, ein hochwertiges Unterrichtsangebot und eine ausgefeilte Förderkultur aus.

Dass die Privatschulen so gut abschneiden, ist eigentlich ein Wunder, denn zumindest durch die öffentliche Hand werden sie finanziell auf die Hinterbänke gesetzt (Grafik):

In allen Bundesländern unterstützt der Staat Privatschulen finanziell weniger als staatliche Schulen – lediglich in Schleswig-Holstein sieht es wegen der speziellen Regelungen für die dänische Minderheit anders aus.

Aus diesem Grund erhielten die privaten Gymnasien in Schleswig-Holstein im Jahr 2007 mit 5.300 Euro je Schüler 200 Euro mehr als der Nachwuchs an staatlichen Gymnasien.

Dabei haben Schulen in freier Trägerschaft einen Anspruch auf angemessene staatliche Finanzhilfe. Geregelt ist dies durch die sogenannte Institutsgarantie in Artikel 7 des Grundgesetzes; weil Schule aber Ländersache ist, fällt die Finanzhilfe von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich aus.

Vergleichsweise gut schneiden noch die Privatschulen in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ab: Hier erhalten sie pro Schüler und Jahr – über alle Schulformen gerechnet – durchschnittlich „nur“ 500 Euro weniger Finanzhilfe als die staatlichen Einrichtungen. Deutlich schwerer haben es die freien Schulträger in Baden-Württemberg, die mit jährlich 3.000 Euro je Schüler die größte Finanzierungslücke verkraften müssen.

Die geringere Finanzierung von Privatschulen erspart der öffentlichen Hand jedes Jahr rund 1,2 Milliarden Euro.

Hinzu kommt, dass bei der Berechnung der staatlichen Zuschüsse längst nicht alle Kosten berücksichtigt werden, die das Schulsystem tatsächlich verursacht – weder bei den staatlichen noch bei den privaten Schulen. So veranschlagt die Schulausgabenrechnung sowohl Beihilfe- als auch Verwaltungskosten lediglich kalkulatorisch. Sach- und Dienstleistungskosten sowie Immobilien- und Nebenkosten gehen sogar überhaupt nicht in die Berechnung der Fördersätze ein.

Wer wissen will, wie hoch die Schulkosten tatsächlich sind, ist deshalb beim Steinbeis-Transferzentrum Wirtschafts- und Sozialmanagement besser aufgehoben. Das Heidenheimer Institut berücksichtigt alle Kosten des Schulbetriebs auf betriebswirtschaftlicher Grundlage.

Legt man diese Rechnung zugrunde, ist die Finanzierungslücke der freien Schulträger sogar noch größer (Grafik):

Um die tatsächlichen Kosten zu decken, hätte der Staat den Privatschulen 2007 zwischen 1.770 Euro (Brandenburg) und 5.160 Euro (Hessen) je Schüler mehr zahlen müssen.

Im Länderdurchschnitt deckten die staatlichen Zuschüsse nur etwa 50 bis 60 Prozent der tatsächlichen Kosten des Privatschulbetriebs. Kein Wunder also, dass viele freie Schulträger Schulgeld erheben. Doch auch in diesem Punkt sind die Schulen nicht frei: Das Bundesverfassungsgericht legte bereits 1994 eine zumutbare Schulgeld-Marge für Eltern fest – aktuell beläuft sie sich auf monatlich 70 Euro pro Kind, so ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs in Baden-Württemberg.

Viele Privatschulen können mit diesen niedrigen Sätzen nicht überleben – und verlangen einfach höhere Schulgebühren, selbst wenn sie damit gegen das Gesetz verstoßen. Gespart wird auch an den Gehältern: Mitunter verdienen die Lehrer an Privatschulen weniger als ihre Kollegen und Kolleginnen an staatlichen Schulen.

Last but not least müssen viele Privatschulen zur Existenzsicherung auch auf eigene Mittel, Sponsoren und Spenden zurückgreifen; manchmal wird sogar eine Verschuldung in Kauf genommen, um den weiteren Lehrbetrieb zu gewährleisten.

*) Vgl. Helmut E. Klein
Privatschulfinanzierung im Kalkül staatlicher Unterfinanzierung und der Wettbewerbsbeschränkung
in: IW-Trends 2/2011

© IW Köln / IW Medien
Link: www.iwkoeln.de


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